Lerntherapie Dr. Dina Beneken

Spielend lernen – Anleitung & Tipps für alle, die mit Kindern lernen

von | Apr 21, 2022 | Lernen, Konzentration, Motivation

Dein Kind sieht ein Arbeitsblatt und bekommt die Krise? Dein Kind lernt lieber handelnd oder in Bewegung? Du hast Kinder in der Lernförderung, die auf alles, was mit „Schule“ zu tun haben, allergisch reagieren?

„Wie kann ich mein Kind am besten fördern – ohne den Lehrer spielen zu müssen?“ ist eine Frage, die mir immer wieder von Eltern, die ich beim Lernen mit ihren Kindern begleite, gestellt wird. In meiner Praxis setze ich selbst Spiele ein, um den Raum fürs Lernen überhaupt wieder zu öffnen. Mit Spielen lernen zu dürfen, ist eine wundervolle Alternative zu Arbeitsblättern und Frontalunterricht. Wenn Kinder zu Hause berichten: „Heute haben wir nur gespielt“, sind das mitunter die Förderstunden, die das Kind so richtig vorangebracht haben.

Allerdings macht ein Spiel noch keinen Sommer, sprich: Einfach das (Lern)Spiel hinstellen und das Kind wird schlau, das funktioniert nicht. Dann sind Eltern manchmal frustriert, weil sie viel Geld für ein Spiel ausgegeben haben, das Kind aber weiterhin kein Interesse am Thema zeigt und sich erst recht nicht alleine mit dem Spiel hinsetzt, um schlauer zu werden.

In diesem Blogbeitrag schreibe ich über die Aspekte, die beim spielerischen Lernen bzw Einsatz von (Lern)Spielen in der Förderung wichtig sind und wie Du Deinem Kind auch (und gerade) in der spielerischen Lernsituation maximales Entwicklungspotenzial bieten kannst.

Spielend Fördern: Nicht nur in der Lerntherapie, auch im häuslichen Umfeld sind Spiele ein tolles Material, um das Lernen zu erleichtern.
Nicht nur in der Lerntherapie, auch im häuslichen Umfeld sind (Lern)Spiele ein tolles Material, um das Lernen zu erleichtern.

Spielend lernen mit Spielen, ein Kinderspiel?

Achtung – es ist ein fataler Denkfehler, dass ein Lernspiel die Förderung vereinfacht. Im Gegenteil: die Anforderungen an den Lernpartner sind um ein Vielfaches höher als wenn man nur ein Arbeitsblatt zückt.

Die landläufige Meinung oder vielmehr das Versprechen, der Einsatz eines Lernspieles löse gewissermaßen nebenbei alle Lern- und Motivationsprobleme in Wohlgefallen auf, ist – Bullshit. Nicht selten passiert Folgendes:

  • Das Kind hat Schwierigkeiten mit dem Rechnen, nehmen wir das 1 x 1
  • Die Lehrkraft empfiehlt den Eltern, sie sollten doch ein wenig mit dem Kind üben, aber bitte!!!
  • Natürlich ganz locker und spielerisch, denn so hat das Kind ja keinen Druck.

Spielerisch, das hört sich super an, also gehen die Eltern los und kaufen ein Lernspiel für den Nachwuchs, und erwarten sich ein freudiges Kind, dass sich auf das Spiel stürzt und nach ein paar Tagen das 1 x 1 im Schlaf beherrscht.

Lernspiel hinstellen und weggehen – warum das nicht funktioniert

Der größte Irrtum ist, ein Thema würde nur durch einen Tapetenwechsel interessant oder verständlich werden. Wenn das Kind das 1 x 1 noch nicht verstanden hat, braucht es eine Begleitung am richtigen Punkt. Bevor man überhaupt ein Lernspiel oder Material auswählen kann, muss unbedingt geklärt sein:

  • Warum das Kind an dieser Stelle nicht weiterkommt. Sitzt das Fundament? An welcher Stelle ist das Kind „ausgestiegen?“
  • Was genau soll geübt werden? Geht es um das Verständnis des Themas, die Anwendung, das Automatisieren?
  • Wer übt, in diesem Fall, spielt mit dem Kind – hat diese Person das notwendige Grundwissen, um das Kind adäquat begleiten zu können?

Da sind wir auch schon bei einem weiteren wichtigen Punkt: Spielend lernen bedeutet mitnichten, das Kind vor ein Spiel zu setzen und es damit alleine zu lassen. Es braucht auch hier eine kompetente Lernbegleitung. Also gilt: Augen auf bei der Spieleauswahl und der Einweisung der Begleitperson.

Spielend lernen, Kriterium „Spielauswahl“

Um zu wissen, welches Spiel sich für die Förderung eignet, braucht man eine Menge Vorwissen. Die wichtigsten Punkte sind:

  • Was genau soll gefördert werden? Je klarer das Thema umrissen werden kann, desto gezielter kann das Spiel ausgewählt werden.
  • Hat das Spiel genügend Wiederholungen für das Förderthema? Übung macht den Meister – man kann sich das Üben schön machen, aber ohne Wiederholungen wird es nichts.
  • In welcher Lernphase befindet sich das Kind? Geht es darum, die Grundlagen des Themas zu verstehen? Oder wollen wir die Anwendung trainieren? Geht es vielleicht sogar schon um die Königsdisziplin, das Automatisieren?

Spielend lernen, Kriterium „Lernpartner“

In der spielerischen Förderung ist die Person, mit der das Kind übt, die Schlüsselfigur. Das Spiel an sich ist ein Türöffner, ein neuer Zugang zu einem schwierigen Thema. Der Lernpartner wird dadurch nicht überflüssig – im Gegenteil: Der Lernpartner fungiert als Rollenmodell, der das Kind behutsam und geschickt zum Thema hinführt. Deswegen ist es gerade in der spielerischen Förderung so essenziell, dass der Lernpartner weiß, was er tut. Es sollte klar sein, wie

  • die didaktische Reihenfolge ist
  • wie das Thema uaf unterschiedliche Art und Weise erklärt werden kann
  • der Lernpartner muss flexibel auf sich ändernde Situationen eingehen können.

Im Spiel ist vieles wesentlich freier als mit vorgegebenen Aufgaben. Deswegen ist hier der Lernpartner so wichtig: das Kind darf nicht alleine sein, wenn es in einer Situation nicht weiter kommt.

Aber halt, das Kind soll doch gerne selbst entdeckend lernen? Wir sind hier an einer Grenze zwischen eigenständigem Lernen und gezielter Förderung. Wieder ist es unerlässlich, sich dem Zweck des Tuns bewusst zu sein. In der Förderung wollen wir ein bestimmtes Ziel erreichen – dabei liegt es in unserer Verantwortung, dem Kind dieses in passender Form zu ermitteln.

Was kann ein passend ausgewähltes Spiel in der Förderung leisten?

Mit dem richtigen, passenden (Lern)Spiel am richtigen Ort zur richtigen Zeit öffnet sich der Raum für eine positive Lernerfahrung. Mit Spielen als Material bist Du als Lernpartner frei und unabhängig von einem starren Arbeitsblatt, das in einer bestimmten Reihenfolge abgearbeitet werden muss. Dadurch ermöglicht das (Lern)Spiel:

  • Ein flexibles Aufgreifen der Fragen, an denen das Kind gerade noch „hängt“
  • Leichtes Anpassen der Erklärstrategien und -themen: Wenn Du feststellst, dass Du zu hoch eingestiegen bist, kannst Du leicht nach unten differenzieren, ohne dass es großartig auffällt.
  • Durch viele Wiederholungen mit Spaßfaktor und Erfolgserlebnissen werden die Inhalte intensiv gelernt.
  • die Nutzung unterschiedlicher Lernkanäle, inklusive Bewegung, Handlung und der steten Rückmeldung, die im Spiel selbst liegt und nicht in einer externen Korrektur
  • einen Zugang zu Fachgesprächen durch Gesprächsanlässe und nicht zuletzt
  • durch das nicht-schulische Setting oftmals die Bereitschaft, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Möchtest Du als Lerntherapeut:in oder Lehrperson Deine Schüler:innen ganz gezielt mit spielerischem Lernen unterstützen? Ich biete regelmäßig Seminare zum Thema an.

(Lern)Spiele effektiv in die Förderung integrieren – Anleitung

In diesem Live-Workshop in meiner Facebookgruppe habe ich das Vorgehen anhand eines Beispiels gezeigt.

Grundsätzlich gilt auch in der spielerischen Förderung diese Reihenfolge.
🦙 Problem genau beschreiben/ analysieren
🦙 passende Lösungen erarbeiten/ Lösungswege aufzeigen
🦙 Lösungswege im Spiel ausprobieren und testen
🦙 erprobte Lösungswege übernehmen in reale Situationen
🦙 übernehmen in den Alltag – Automatisierung findet statt, weil die Lösung besser funktioniert als die vorherige.

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Spielend fördern – Tutorial am Beispiel „Mein Banknachbar hindert mich daran, mich zu konzentrieren“

Spielend lernen: 7 Tipps für erwachsene Lernpartner

Spielend lernen, Regel 1: Vergiss die Regeln

Du kannst sie zur Kenntnis nehmen, aber sei bereit, Deine eigenen Regeln zu machen. Regeln engen ein, geben Streitpotential und sind eine nette Empfehlung. Spielen soll Spaß machen. Wenn Du eine Regel nicht verstehst, tu das, was Dir vernünftig erscheint. Wenn Dein Kind oder Partner:in bei einer Regel gepflegt ausrastet, wandel sie ab.
Im Laufe der Spielerfahrung kannst Du sie immer wieder einführen, sie geht nicht verloren.

Spielend lernen, Regel 2: Nimm Dir Zeit

Fange immer auf der „alles klar, hier fühle ich mich sicher“ Stufe für Dein Kind an. Erst wenn Dein Kind sicher spielt und die Regeln verstanden hat, kommt die nächste Herausforderung. Keine Hektik, keine Eile. Solange es Spaß macht, ist man im Lernmodus. Sei entspannt, flexibel und gehe langsam voran. Der Weg ist das Ziel.

Spielend lernen, Regel 3: Die Führung hat Dein Kind

Dein Kind bestimmt, wann es ihm langweilig wird. Viele Wiederholungen auch auf einfachem Level garantieren Erfolgserlebnisse. Erfolgserlebnisse machen Spaß. Das Spiel wird gerne gespielt. Ist das Spiel zu schwer, verliert Dein Kind die Konzentration, den Fokus und den Spaß an der Sache.
Wenn es Dir fad wird, setz Dir eigene Handicaps, um Dich herauszufordern.

Spielend lernen, Regel 4: Denke laut und konsequent

Statt dem Kind zu sagen, was es tun kann oder soll, denke laut, während Du handelst. Laut Denken ersetzt den nervigen „Lehrmodus“. Sprich aus, was Du denkst, so siehst Dein Kind, welche Strategien Du beim Rechnen einsetzt, wie Du Dir die Karten im Memory merkst (oder auch nicht) und auch, welche Strategien Du anwendest, wenn Dein Denken in einer Sackgasse landet. Dein Kind lernt so ganz natürlich am Modell. Du bist das beste Rollenmodell 😉

Spielend lernen, Regel 5: Löse die Aufgaben handelnd

Du bist das Rollenmodell, also tu einfach, was Du Deinem Kind beibringen möchtest. Wenn Dein Kind noch Schwierigkeiten mit der abstrakten Ebene hat, nutze Deine Finger zum Zählen, zum Führen der Zeilen beim Lesen. Nutze Material, um Deine Aufgaben zu lösen. Wenn Dein Kind Dein Material nutzen möchte, gib es ihm großzügig ab 🙂

Spielend lernen, Regel 6: Deine Hilfe ist viel später notwendig als Du denkst

(siehe Punkt 2) Nimm Dir Zeit. Gib Deinem Kind Zeit. Halte Stille aus. Es ist ein Geschenk für Kinder, wenn sie in Ruhe denken dürfen, ausprobieren, die Lösung selbst erfahren. Husch, husch gibt es da draußen in der Welt genug. Zeit ist wertvoll. Wenn Du den Helferimpuls hast, unterdrücke ihn mindestens zweimal, es sei denn, Dein Kind bittet um Hilfe.

Spielend lernen, Regel 7: Spielen ist wichtiger als Gewinnen

Kinder lernen im Spiel, nicht auf der Siegertreppe. Für viele Kinder ist Gewinnen nicht der Grund, ein Spiel zu spielen. Spielt kooperativ, gehe zu Regel Nummer 1, chill Dich und besinne Dich auf den Spielspaß. Mach es Dir schön, genieße es, Dein Kind bei der Entwicklung zu beobachten. Wenn Du gewinnen willst, such Dir einen ebenbürtigen Partner dazu und tob Dich aus.

Weiterführende Artikel und Links

(Lern) Spiele in der Grundschule effektiv einsetzen

Hier findest Du meine Beiträge für Lernspiele, die in der spielerischen Förderung eingesetzt werden können: Mathematik (Klasse 1 und 2) bzw. Mathematik (Klasse 3 und 4)

Inspirationen zum Lernen mit Spielen und Erklärvideos für Themen in der Grundschule findest Du auf meinem youtubekanal.

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